Lehman Insolvenz erschien ab August 2008 zumindest möglich

Für einige der durch die Lehman-Insolvenz betroffenen Anleger gibt es neue Hoffnung: Das Landgericht Hamburg (Urteil vom 22.04.2010, 328 O 302/09) hat entschieden, dass sich Banken und andere Finanzdienstleister beim Vertrieb von Lehman-Papieren zumindest ab Mitte August 2008 nicht mehr uneingeschränkt auf die nach wie vor positiven Ratings von S&P, Moody’s und Co. verlassen durften. Zu dieser Zeit wurde in der Fachpresse bereits verschiedentlich vor einem möglichen Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers gewarnt. Hierauf hätten Anleger bei der Beratung über Lehman-Wertpapiere unabhängig von den aktuellen Ratings hingewiesen werden müssen.

Neben Zertifikaten, die von der Lehman-Brothers Holding bzw. einer ihrer Tochterunternehmen emittiert wurden, betrifft dies auch andere Wertpapiere, deren Entwicklung von Lehman Brothers abhängig war, wie zum Beispiel die sog. „Cobold 74 Anleihe“ der DZ Bank (WKN DZ8PQE bzw. ISIN DE000DZ8PQE4). Diese Anleihe, die als festverzinsliches Wertpapier verkauft wurde, versprach einen jährlichen Kupon in Höhe von 5%, solange bei keinem der Referenzunternehmen (zu denen neben Lehman Brothers auch die weiteren großen amerikanischen Investmentbanken Goldman Sachs, JP MorganChase, Merrill Lynch und Morgan Stanley gehörten) ein sog. Kreditereignis eintrete. Als Kreditereignis gelten neben der Insolvenz auch die einfache Nichtzahlung von Verbindlichkeiten bei Fälligkeit. Im Falle eines Kreditereignisses sollte der Anleger keine Rückzahlung erhalten, sondern Schuldverschreibungen des ausgefallenen Referenzunternehmens, in diesem Fall also von Lehman Brothers. Die betroffenen Anleger konnten die in diesen Papieren verbrieften Forderungen schließlich nur noch zur Insolvenztabelle anmelden.

BNP Paribas Relax-Express Zertifikat – 50 % Verlust in nur 30 Monaten

Die Insolvenz von Lehman Brothers, die anschließenden Anlegerprozesse und deren mediale Aufmerksamkeit haben zweifelhafte Verkaufsmethoden der beratenden Banken an den Tag gebracht. Getrieben von verdeckten Provisionen und zum Teil enormem Verkaufsdruck haben viele Anlageberater die Risiken der angebotenen Wertpapiere verschleiert. Auch wenn der Medienhype sich vorwiegend um Papiere der Investmentbank Lehman Brothers dreht, waren dies nicht die einzigen riskanten Zertifikate. Auch andere Banken boten solche nicht minder risikobehafteten Papiere an.

Viele Anleger bekommen dieser Tage Post von ihrer Hausbank mit schlechten Neuigkeiten: Sie hatten vor zweieinhalb Jahren Geld in ein sogenanntes Relax-Express Zertifikat der französischen Bank BNP Paribas investiert (WKN: BN0SRL; ISIN: DE000BN0SRL4). Beworben wurde dieses Papier mit einer Aussicht auf über 20 % Ertrag nach einer Laufzeit von nur etwas mehr als einem Jahr. Tatsächlich wurde dieses Zertifikat am 03.06.2010 zurückgezahlt. Statt 20 gewonnen Prozentpunkten musste der Anleger feststellen, dass rund 50 % seines eingesetzten Kapitals verloren waren. Die Rückzahlung des Zertifikates hing nämlich von der Entwicklung dreier sogenannter Basiswerte ab, in diesem Fall den Aktienwerten der DAX-Unternehmen Deutsche Bank, Daimler und Allianz. Ertrag sollte erzielt werden, wenn keiner dieser drei Werte 50 % seines bei Emission des Zertifikates festgestellten Ausgangskurses verlor. Die damit verbrieften Risiken des Zertifikates wurden aber – wie wir aus unserer Beratungspraxis wissen – oftmals nur unzureichend, teilweise sogar falsch dargestellt.

Die vermittelnden Banken ziehen sich heute auf den Standpunkt zurück, der Anleger trage das Kursrisiko sich negativ entwickelnder Märkte. Im Übrigen sei die Krise, schon gar nicht in ihrem vollen Ausmaß, vorhersehbar gewesen.

Nichtsdestotrotz hat der Anleger nach ständiger Rechtsprechung Anspruch auf Aufklärung über sämtliche relevanten Risiken BEVOR er ein Wertpapier erwirbt. Wird er nicht ordnungsgemäß aufgeklärt, haftet die beratende Bank. Im Rahmen ordnungsgemäßer Anlageberatung hätte nach unserer Einschätzung nicht nur über versteckte Rückvergütungen (sog. Kick-Back), sondern noch über eine Reihe weiterer spezieller Risiken des BNP Paribas Relax-Express Zertifikats aufgeklärt werden müssen.

Sprechen Sie uns an, wenn auch Sie das besagte BNP Paribas Relax-Express Zertifikat gezeichnet haben.

Lehman-Anlegerin bekommt in zweiter Instanz Recht

Der 17. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main hat heute die Berufung der Frankfurter Sparkasse gegen ein am 31.08.2009 gefälltes Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main zurückgewiesen und das erstinstanzliche Urteil im vollen Umfang bestätigt (17 U 207/09). Die Sparkasse war im Sommer des vergangenen Jahres verurteilt worden, einem 38-jährigen Rechtsanwalt den vollständigen Kaufpreis in Höhe von EUR 7.000,00 für den Erwerb sog. Lehman-Zertifikate zu erstatten und die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (Az. 2-19 O 287/08). Der Anleger wurde im Sommer 2007 unaufgefordert von der Sparkasse in seiner Kanzlei angerufen und zu der verlustbringenden Anlage überredet.

Die Verurteilung erfolgte seinerzeit, weil der Anleger unstreitig nicht über ein Sonderkündigungsrecht der Emittentin, Lehman Brothers, aufgeklärt wurde. Über dieses Risiko fanden sich in den offiziellen Verkaufsprospekten Warnhinweise, während der sog. Verkaufsflyer hierzu ebenso wie der Bankberater schwieg. Die Richter des Fachsenats für Bankenrecht ließen die in der Berufung angeführten Argumente der Sparkasse nicht gelten und verteidigten das Urteil des Landgerichts. Ausdrücklich griff der Senat die Kritik des Landgerichts auf, wonach allein schon der Telefonvertrieb der komplexen Produkte problematisch erscheine. Im Übrigen habe die Bank auf spezielle Risiken des Papiers ungefragt hinzuweisen.

Die Frankfurter Sparkasse kündigte an, Revision gegen das Urteil zum Bundesgerichtshof einlegen zu wollen.