Der Europäische Gerichtshof
(EuGH) entschied mit Urteil vom 29.07.2019 (Az. C-476/17) in dem nunmehr seit
20 Jahren vorangetriebenen Rechtsstreit, dass das umstrittene
Tonträger-Sampling ohne die Zustimmung des Rechteinhabers zulässig ist – dies jedoch
nur unter bestimmten Voraussetzungen.
Der eigentliche Ausgangspunkt war
eine Auseinandersetzung zwischen der deutschen Elektropop-Gruppe Kraftwerk und
dem Frankfurter Musikproduzenten Moses Pelham bzw. dessen Produktionsfirma
Pelham GmbH. Dieser übernahm bei der Produktion des Musikstückes „Nur mir“ mit
der Sängerin Sabrina Setlur (1997) einen 2-Sekunden dauernden Ausschnitt aus
dem Kraftwerk-Stück „Metall auf Metall“ (1977). Diese Tonsequenz wurde
lediglich in einer um fünf Prozent verlangsamten Geschwindigkeit fortlaufend
wiederholt (Loop).
Diese Auseinandersetzung wurde
bereits dreimal vor dem Bundesgerichtshof verhandelt. Dieser legte die
europarechtlichen damit verbundenen Fragen dann dem EuGH vor.
Das Bundesverfassungsgericht
(BVerfG) erklärte 2016, dass ein Sampling-Verbot unzulässig sei, da für die
Urheber damit keine erheblichen wirtschaftlichen Nachteile verbunden seien und
das grundrechtlich geschützte Eigentumsrecht lediglich geringfügig betroffen
sei. Somit überwiege die Kunstfreiheit das Eigentumsrecht.
Der EuGH sollte nun für Klärung
dahingehend sorgen, ob das europarechtliche Tonträgerherstellerrecht zur Vervielfältigung
und Verbreitung (Richtlinie 2011/29/EG) vom Sampling derartiger kurzer Sequenzen
überhaupt betroffen ist. Ferner, ob § 24 Abs. 1 Urheberrechtsgesetz eine
Einschränkung des Künstlers dahingehend vornimmt, dass er ein Sampling durch
andere Künstler tatsächlich tolerieren muss. Zuletzt sollte der EuGH für eine
Klärung hinsichtlich des Einflusses des Zitatrechts aus Art. 5 Abs. 3 d) der
EU-Richtlinie 2011/29/EG sorgen.
Entgegen der Ansicht des
Generalanwalts, der noch der Auffassung war, dass die jeweiligen Rechteinhaber
stets vor einem Sampling um Erlaubnis gebeten werden müssen, vertritt der EuGH
hier eine andere Auffassung:
Die Kunstfreiheit
Die eigentliche Technik des
Sampling sei eine „künstlerische Ausdrucksform, die unter die durch Art. 13 der
Charta geschützte Freiheit der Kunst fällt“. So könne Sampling zwar „einen
Eingriff in die Rechte des Tonträgerherstellers darstellen, wenn es ohne dessen
Zustimmung erfolgt“. Hingegen „stelle die Nutzung eines Audiofragments in
geänderter und beim Hören nicht wiedererkennbaren Form jedoch auch ohne
Zustimmung keinen Eingriff in diese Rechte dar“. So sei auch ein Sample, mit
welchem ein neues vom Ursprungswerk „unabhängiges Werk“ geschaffen werde, keine
Kopie im rechtlichen Sinne.
Wenn also ein Nutzer „in Ausübung
seiner Kunstfreiheit“ dem Tonträger ein „Audiofragment entnimmt, um es in
geänderter und beim Hören nicht wiedererkennbaren Form in ein neues Werk
einzufügen“, so liege – laut EuGH – keine Vervielfältigung vor.
Das Zitatrecht
Zudem stellte der EuGH fest, dass
ein Sample, wenn dieses seine Herkunft klar erkennen lässt, „unter bestimmten
Voraussetzungen ein Zitat sein kann“, gerade dann, „wenn die Nutzung zum Ziel
hat, mit diesem Werk zu interagieren“.
Die „freie Benutzung“ (§ 24 UrhG)
Zuletzt traf der EuGH noch eine
überraschende Feststellung:
Der Unionsgesetzgeber habe in seinen Vorschriften abschließend die Interessen der Nutzer von geschützten Gegenständen berücksichtigt und etwaige Ausnahmen vom alleinigen Vervielfältigungsrecht des Urhebers entsprechend manifestiert. Darüber hinausgehende Regelungen, nach denen Werke ohne Zustimmung des Urhebers veröffentlicht und verwertet werden dürfen, seien wiederum nicht mit dem Unionsrecht vereinbar.
Und darunter fällt im deutschen Urheberrecht die sog. „freie Benutzung“ gem. § 24 Urheberrechtsgesetz (UrhG), nach der Werke, die in freier Benutzung eines Werks eines Dritten geschaffen wurden, keine Rechtsverletzung darstellen:
§ 24 UrhG
(1) Ein selbständiges Werk, das in freier Benutzung des Werkes eines
anderen geschaffen worden ist, darf ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten
Werkes veröffentlicht und verwertet werden.
(2) Absatz 1 gilt nicht für die Benutzung eines Werkes der Musik, durch
welche eine Melodie erkennbar dem Werk entnommen und einem neuen Werk zugrunde
gelegt wird.
Im Zuge dessen hatte der Bundesgerichtshof bei der Vorlage des Verfahrens mit Bezugnahme auf die ungenehmigte Nutzung von Werken angefragt, ob EU-Mitgliedsstaaten Einschränkungen des EU-Rechts wie z.B. im § 24 (siehe oben) in der nationalen Gesetzgebung überhaupt vornehmen dürfen, was der EuGH wiederum verneinte.
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