Gesetzesentwurf gegen unseriöse Geschäftspraktiken soll Abmahnunwesen einschränken

Aufgrund vorliegender Missstände im Bereich von Abmahnungen nach dem Urheberrechtsgesetz (UrhG) soll der am 12. März 2012 unter dem Namen “Entwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken” veröffentlichte Referentenentwurf  des Bundesministeriums der Justiz überzogenen Abmahn-Geschäftsmodellen Einhalt gebieten. Derartige Modelle dienen vornehmlich dazu, gegen den Rechtsverletzer einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. Dadurch rückt der eigentliche Zweck der Abmahnung – die Beseitigung der Verletzungshandlung – in den Hintergrund.

Die seit 2008 bestehende Regelung des § 97a Absatz 2 UrhG, die den Ersatz der erforderlichen Aufwendungen für die Inanspruchnahme anwaltlicher Dienstleistungen wegen etwaiger Urheberrechtsverletzungen auf 100 Euro begrenzt, erfüllt nach bisherigen Erfahrungen den eigentlichen Zweck nicht. Unbestimmte Rechtsbegriffe in der Vorschrift wie z.B. “einfach gelagerter Fall” und “unerhebliche Rechtsverletzung” führen zur einer Unsicherheit der Betroffenen, was wiederum eine gerichtliche Klärung des Sachverhalts aufgrund des oft nicht abschätzbaren Kostenrisikos meist verhindert.

Die Beschwerden über anwaltliche, komplett auf Textbausteinen basierende und ohne individuelle Ãœberprüfung erfolgten “Massenabmahnungen” mit einer Kostennote von durchschnittlich 700 Euro lassen vermuten, dass es vorrangig um die Erschließung einer neuen Einkommensquelle geht. So werden gegen den Abgemahnten Ansprüche auf Unterlassung der urheberrechtlichen Verletzungshandlung, Schadensersatz und Ersatz der Rechtsanwaltskosten geltend gemacht. Sollte dieser die Zahlung anschließend verweigern, so werden ihm weitere Kosten angekündigt. Ein “pauschaler Abgeltungs- bzw. Vergleichsbetrag” wird seitens der “Abmahner” häufig zuletzt noch angeboten. Die Kosten der Rechtsverfolgung werden den Rechteinhabern meist jedoch noch nicht einmal in Rechnung gestellt, so dass zum Zeitpunkt der Abmahnung bereits Schäden geltend gemacht werden, die den Rechteinhaber so in der Form (noch) gar nicht entstanden sind.

Um dem entgegen zu wirken enthält der Gesetzesentwurf eine neue Wertvorschrift für „bestimmte Urheberrechtsstreitsachen mit klar bestimmbaren Tatbestandsmerkmalen“. Diese Vorschrift soll es abgemahnten Privatpersonen ermöglichen, selbst zu erschließen, ob in dem jeweiligen Fall eine Gebührenreduzierung von Rechtsanwaltskosten anzuwenden ist oder nicht.

Ferner wird die Position des Abgemahnten gegenüber dem „missbräuchlichen Abmahnenden“ durch die Einführung eines Gegenanspruchs (auch für wettbewerbsrechtliche Abmahnungen) gestärkt.

§ 97a UrhG (Entwurf)
Abmahnung

(1) Der Verletzte soll den Verletzer vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens auf
Unterlassung abmahnen und ihm Gelegenheit geben, den Streit durch Abgabe einer mit
einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung beizulegen.
(2) Soweit die Abmahnung berechtigt ist, kann der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen
verlangt werden. § 49 des Gerichtskostengesetzes ist entsprechend anzuwenden.
(3) Soweit die Abmahnung unberechtigt ist, kann der Abgemahnte Ersatz der für die
Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen verlangen. Weiter gehende Ersatzansprüche
bleiben unberührt.“

Änderung des Gerichtskostengesetzes (Entwurf)

Das Gerichtskostengesetz vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718) wird wie folgt geändert:

1. Die Inhaltsübersicht wird wie folgt geändert:
a) Die Angabe zu § 49 wird wie folgt gefasst:
„§ 49 Urheberrechtsstreitsachen“.
b) Die Angabe zu § 51 wird wie folgt gefasst:
„§ 51 Gewerblicher Rechtsschutz“.
2. § 49 wird wie folgt gefasst:

§ 49
Urheberrechtsstreitsachen

(1) In einer Urheberrechtsstreitsache beträgt der Streitwert für den Unterlassungs-
oder Beseitigungsanspruch 500 Euro, wenn der Beklagte
1. eine natürliche Person ist, die urheberechtliche Werke oder durch verwandte
Schutzrechte geschützte Leistungen nicht für ihre gewerbliche oder selbständige
berufliche Tätigkeit verwendet, und
2. nicht bereits wegen eines Anspruchs des Klägers durch Vertrag, aufgrund einer
rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung oder einer einstweiligen Verfügung
zur Unterlassung verpflichtet ist.
(2) Absatz 1 ist auch anzuwenden, wenn ein Unterlassungs- und ein Beseitigungsanspruch
nebeneinander geltend gemacht werden.“

Durch die Beschränkung des Streitwertes auf 500 Euro wird das Interesse, durch Abmahnungen in erster Linie Gebühren zu generieren, drastisch beschränkt. Dies dürfte ein wirksames Instrument sein, unseriöse Abmahnpraktiken weitgehend Einhalt zu bieten. Abzuwarten bleibt jedoch, ob bzw. in welcher Fassung der Entwurf tatsächlich Gesetzeskraft erlangen wird.

BGH entscheidet erstmals über Lehman-Zertifikate – zum Nachteil der Anleger

Die Urteile haben aber wenig Aussagekraft für andere Fälle.

Gestern verhandelte und entschied der BGH in zwei Fällen geschädigter Lehman-Anleger. Dabei handelte es sich um die ersten Urteile des BGH zum Thema Lehman Brothers, leider entschied er zugunsten der beratenden Sparkasse, dass diese ihre Hinweis- und Aufklärungspflichten nicht verletzt habe. Dies ist zwar ein kleiner Rückschlag für geschädigte Anleger, sollte indes nicht überbewertet werden, weil zwei wesentliche Aspekte, um die es in den meisten Klageverfahren wegen Lehman Zertifikaten geht, für die gestrigen Entscheidungen nicht relevant waren.

Der eine Aspekt betrifft die Frage, ab wann über die finanzielle Schieflage von Lehman Brothers hätte aufgeklärt werden müssen. Wenn auch dieser Zeitpunkt mittlerweile von den Gerichten unterschiedlich beurteilt wird, sind bislang noch keine Entscheidungen bekannt, die diesen Zeitpunkt vor Juni 2008 angesetzt haben. Umstritten, aber gut vertretbar ist der Standpunkt, dass bereits ab März 2008, nachdem mit Bear Stearns eine andere große amerikanische Investmentbank in letzter Minute vor der Insolvenz gerettet werden musste, dem Insolvenzrisiko von Lehman Brothers in der Anlageberatung besondere Aufmerksamkeit hätte zuteil werden müssen. Da in den vorliegenden Fällen die Zertifikate im Dezember 2006 bzw. im Oktober 2007 erworben wurden. Über das Bestehen eines generellen, wenn auch zum damaligen Zeitpunkt nur theoretischen, Emittentenrisikos wurden die Anleger nach Feststellung des Berufungsgerichtes aber aufgeklärt. Dies sei zum damaligen Zeitpunkt – so der BGH – aber ausreichend gewesen. Einem darüber hinausgehenden Hinweis, dass die Anlage nicht durch ein Einlagensicherungssystem der Sparkassen gedeckt sei, hätte es nicht bedurft, weil diese keinen zusätzlichen Informationswert gehabt habe. Wenn dem Anleger bewusst war, dass bei Ausfall des Emittenten ein Totalverlustrisiko bestand, bedeutete dies zugleich, dass kein Einlagensicherungssystem greift, weil in Falle des Greifens eines Einlagensicherungssystems kein Totalverlustrisiko bestanden hätte.

Der zweite Aspekt betrifft die Thematik der Rückvergütung. Hier weisen die vorliegenden Fälle eine besondere Konstellation auf, die in den meisten anderen Lehman Fällen nicht einschlägig sein dürfte. Die HASPA hatte nämlich zuvor die Papiere selbst von Lehman Brothers erworben und hat diese sodann auf eigene Rechnung an ihre Kunden weiter veräußert (sog. Festpreisgeschäft). Über die dabei erzielte Gewinnspanne musste laut BGH seitens der HASPA nicht aufgeklärt werden. Nach ständiger Rechtsprechung muss eine Bank beim Verkauf von Eigenprodukten nicht über die damit erzielte Gewinnmarge aufklären, weil den Anlegern bewusst sei, dass die Bank Wertpapiere emittiere, um damit Gewinne zu erzielen. Dies sei im Falle eines Eigen- oder Festpreisgeschäftes nicht anders.

Umgekehrt muss aber eine Bank über von dritter Seite erhaltene Rückvergütungen sehr wohl aufklären, weil hier die Gefahr besteht, dass die Empfehlung des Anlageberaters nicht im ausschließlichen Interesse des Anlegers erfolgt. Da es sich aber vorliegend um eine Gewinnmarge handele seien die Rechtsprechungen zu Rückvergütungen und Innenprovisionen nicht einschlägig, so der BGH.

Eine Aufklärungspflicht darüber, dass es sich bei den Geschäften um Eigen- bzw. Festpreisgeschäfte gehandelt habe, hätte die Sparkasse aber nicht geschuldet. „Die Annahme einer Pflicht zur Auskunft über das Eigengeschäft laufe nämlich, wie schon das Berufungsgericht zutreffend angenommen habe, auf die als solche für den Anleger bedeutungslose Information hinaus, dass die Bank ihn über Existenz und Höhe der Gewinnspanne nicht aufzuklären habe.“

Die Urteile des BGH liegen in schriftlicher Form noch nicht vor. Die vollständige Pressemitteilung können Sie hier lesen.

OLG Hamburg: Sabrina-Setlur Titel „Nur mir“ verletzt Urheberrecht der Gruppe „Kraftwerk“

Mit Urteil vom 17.08.2011 hat das OLG Hamburg entschieden, dass der von Pelham/ Haas komponierte und von Sabrina Setlur gesungene Titel „Nur mir“ unter Verstoß gegen das Urheberrecht zustande gekommen ist, weil er unerlaubt sog. Samples der Musikgruppe „Kraftwerk“ enthält.

Gegenstand des mittlerweile seit über 7 Jahren andauernden Rechtsstreit ist eine etwa zwei Sekunden lange Rhythmussequenz aus dem Titel „Metall auf Metall“ den die Gruppe „Kraftwerk“ 1977 auf deren Tonträger „Kraftwerk – Trans Europa Express“ veröffentlichte. Mitglieder der Gruppe „Kraftwerk“. 1997 veröffentlichte die Pelham GmbH zwei Tonträger mit dem Hip-Hop-Stück „Nur mir“, das von der am vorliegenden Rechtsstreit nicht beteiligten Sabrina Setlur interpretiert wurde. Mitglieder der Gruppe „Kraftwerk“ klagten daraufhin gegen das Produzenten Duo Haas/Pelham und die Pelham GmbH.

Bereits 2006 bestätigte das OLG Hamburg eine erstinstanzliche Entscheidung des LG Hamburg, in der es die weitere Veröffentlichung der Aufnahmen verbot und feststellte, dass die Beklagten den Klägern zum Schadensersatz verpflichtet seien. Auf die Revision der Beklagten hob jedoch der BGH 2008 das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zurück an das Oberlandesgericht. Zwar hätten die Beklagten mit dem Sample in das Tonträgerherstellungsrecht der Kläger eingegriffen, das OLG müsse aber noch prüfen, ob sich die Beklagten nicht auf das Recht zur freien Benutzung (§ 24 UrhG) berufen könnten. Danach dürfe ein selbständiges Werk, das in freier Benutzung des Werkes eines anderen geschaffen worden sei, ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werkes verwendet werden. Allerdings komme eine freie Benutzung dann nicht in Betracht, wenn derjenige, der eine fremde Ton- oder Klangfolge für eigene Zwecke übernehme, hierauf nicht angewiesen sei, weil er selbst in der Lage wäre, die entnommene Sequenz herzustellen.

In seinem Urteil vom 17.08.2011 (5 U 48/05) kam das OLG zu dem Schluss, dass die Beklagten in der Lage gewesen wären, die Sequenz aus dem Titel „Metall auf Metall“ selbst einzuspielen. Er hat dazu zwei Sachverständige Zeugen gehört, den es gelungen war, unter Verwendung bereits 1997 erhältlicher Synthesizer und freier Samples bzw. selbst aufgenommener Hammerschläge auf Metallschubkarren und Zinkregale, den kopierten Rhythmusfolgen gleichwertige Sequenzen herzustellen.

Der Senat hat erneut die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen, um zu klären, welche Maßstäbe für die Möglichkeit der Eigenherstellung von Tonaufnahmen gelten, bevor auf fremde Tonaufnahmen ohne Einwilligung des Rechteinhabers zurückgegriffen werden könne.

Die vollständige Pressemitteilung des Hanseatischen OLG finden Sie hier.