Bundesgerichtshof entscheidet über die Rückforderung gewinnunabhängiger Ausschüttungen bei Kommanditbeteiligung an Schiffsfonds

Der für das Gesellschaftsrecht zuständige II. Zivilsenat hat entschieden, dass nach dem Gesellschaftsvertrag zulässige gewinnunabhängige Ausschüttungen an Kommanditisten eines in der Rechtsform einer GmbH & Co KG organisierten Schiffsfonds nur dann von der Gesellschaft zurückgefordert werden können, wenn dies im Gesellschaftsvertrag vorgesehen ist.

In den heute verhandelten Verfahren verlangten zwei Beteiligungsgesellschaften, deren Gesellschaftszweck jeweils der Betrieb eines Containerschiffs war, die Rückzahlung von Ausschüttungen von der beklagten Kommanditistin.

In den Gesellschaftsverträgen der Klägerinnen ist übereinstimmend geregelt, dass die Gesellschaft unabhängig von einem im Jahresabschluss ausgewiesenen Gewinn oder Verlust für den Fall, dass die Liquiditätslage es zulässt, in einem bestimmten Zeitraum nach Gründung des Fonds voraussichtlich Beträge in im Einzelnen angegebener Höhe eines prozentualen Anteils des Kommanditkapitals an die Gesellschafter ausschüttet, die auf “Darlehenskonto” gebucht werden. Sofern ein Gesellschafter im Hinblick auf das Wiederaufleben der Haftung auf diese Entnahmen verzichtete, sollte “für ihn insoweit die Bildung der Darlehensverbindlichkeit” entfallen.

An die Beklagte wurden aufgrund von entsprechenden Beschlüssen der Gesellschafterversammlungen Beträge in Höhe von 61.355,03 € und 30.667,51 € als gewinnunabhängige Ausschüttungen gezahlt. Nachdem die Beteiligungsgesellschaften in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten waren, beschlossen die Gesellschafterversammlungen im Rahmen eines Restrukturierungskonzepts die Rückforderung der an die Kommanditisten auf der Grundlage dieser Satzungsregelung ausgezahlten Beträge.

Die Klagen hatten in beiden Instanzen Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat auf die von ihm zugelassenen Revisionen der Beklagten die angefochtenen Berufungsurteile aufgehoben und die Klagen abgewiesen. Allein der Umstand, dass die Beträge nach dem Gesellschaftsvertrag unabhängig von einem erwirtschafteten Gewinn ausgeschüttet wurden, lässt einen Rückzahlungsanspruch nicht entstehen. Soweit in den Ausschüttungen eine Rückzahlung der Kommanditeinlage zu sehen ist und damit die Einlage insoweit gemäß § 172 Abs. 4 HGB den Gläubigern gegenüber als nicht geleistet gilt, betrifft dies nur die Außenhaftung des Kommanditisten. Im Innenverhältnis zur Gesellschaft sind die Gesellschafter dagegen frei, ob und mit welchen Rechtsfolgen sie Einlagen zurückgewähren. Werden Einlagen aufgrund einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung der Gesellschafter zurückbezahlt, entsteht daher ein Rückzahlungsanspruch der Gesellschaft nicht automatisch, sondern nur bei einer entsprechenden vertraglichen Abrede. Den Gesellschaftsverträgen der Klägerinnen hat der Bundesgerichtshof bei der gebotenen objektiven Auslegung keinen Anspruch der Gesellschaft auf Rückzahlung der Ausschüttungen entnehmen können.

Urteile vom 12. März 2013 – II ZR 73/11 und II ZR 74/11

Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 12. März 2013

§ 171 Abs. 1 HGB:

Der Kommanditist haftet den Gläubigern der Gesellschaft bis zur Höhe seiner Einlage unmittelbar; die Haftung ist ausgeschlossen, soweit die Einlage geleistet ist.

§ 172 Abs. 4 HGB

Soweit die Einlage eines Kommanditisten zurückbezahlt wird, gilt sie den Gläubigern gegenüber als nicht geleistet. Das gleiche gilt, soweit ein Kommanditist Gewinnanteile entnimmt, während sein Kapitalanteil durch Verlust unter den Betrag der geleisteten Einlage herabgemindert ist, oder soweit durch die Entnahme der Kapitalanteil unter den bezeichneten Betrag herabgemindert wird.

 

Bundesgerichtshof entscheidet über Auskunftsansprüche von Anlegern von Filmfonds in der Form von Publikums-Kommanditgesellschaften

Der für das Gesellschaftsrecht zuständige II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass Anleger, die sich als Treugeber über einen Treuhandgesellschafter an einem (Film)Fonds in der Form von Publikums-Kommanditgesellschaften beteiligt haben, Auskunft über Namen und Anschriften der übrigen an der Gesellschaft beteiligten Anleger verlangen können, wenn ihnen im Innenverhältnis der Gesellschaft die Stellung eines unmittelbaren Gesellschafters (Kommanditisten) eingeräumt ist.

In den vier heute verhandelten – und ebenso in einer Vielzahl weiterer beim II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs und bei Land- und Oberlandesgerichten anhängigen – Verfahren haben Anleger von Publikumsgesellschaften in der Form von Kommanditgesellschaften mit den jeweiligen Gesellschaften, teils auch mit deren geschäftsführenden Gesellschaftern oder mit der Treuhandkommanditistin darüber gestritten, ob sie ein Recht auf Auskunftserteilung über Namen, Anschriften und (in einem Fall) die Beteiligungshöhe der übrigen an den Gesellschaften beteiligten Anleger haben.

An den Fondsgesellschaften konnten sich die Anleger entweder als Kommanditisten (= unmittelbare Gesellschafter) beteiligen mit der Folge, dass sie mit Namen, Wohnort und Haftsumme in das Handelsregister eingetragen wurden, oder sie beteiligten sich als Treugeber (= mittelbare Gesellschafter) über eine Treuhänderin an dem Fonds, wobei in diesem Fall nur die Treuhänderin als (Treuhand-)Kommanditistin mit Name, Wohnort und Haftsumme im Handelsregister eingetragen wurde. Namen, Anschriften sowie die Beteiligungshöhe der Treugeber sind dann nur der Treuhänderin oder der Fondsgesellschaft bekannt. Die Beteiligungs- und Treuhandverträge enthalten Regelungen, nach denen die Anleger keinen Anspruch darauf haben, dass ihnen vom Treuhänder oder der Gesellschaft die dort bekannten Daten der anderen Anleger mitgeteilt werden.

Die klagenden Anleger haben die Ansicht vertreten, ihnen stünde ein Recht auf Kenntnis der Identität der anderen an dem jeweiligen Fonds beteiligten Anleger zu, da sie ohne diese Kenntnis ihre Gesellschafter- oder Treugeberrechte nicht ordnungsgemäß ausüben könnten. Die Beklagten haben die verlangten Auskünfte u.a. unter Hinweis auf ein schützenswertes Anonymitätsinteresse der nur über einen Treuhänder beteiligten Anleger und die Gefahr der missbräuchlichen Verwendung der Daten verweigert. In allen vier Fällen hatten die Klagen vor dem Oberlandesgericht München Erfolg.

Nach der mündlichen Verhandlung haben in zwei Verfahren die Beklagten ihre Revisionen vor der Verkündung der Urteile zurückgenommen. In den beiden anderen Verfahren hat der Bundesgerichtshof die Entscheidungen des Oberlandesgerichts München bestätigt. Er hat darauf abgestellt, dass die als Treugeber beigetretenen Anleger nach den bei ihrem Beitritt von allen – unmittelbar oder mittelbar – beigetretenen Anlegern als für ihre Rechtstellung verbindlich anerkannten Regelungen in den Gesellschaftsverträgen der Fondsgesellschaften, auf die die jeweiligen Treuhandverträge Bezug nehmen, im Innenverhältnis den als Kommanditisten beigetretenen Anlegern in Rechten und Pflichten gleichgestellt sind. Ein Kommanditist hat ebenso wie der Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts und einer offenen Handelsgesellschaft einen aus seinem Mitgliedschaftsrecht folgenden Anspruch auf Kenntnis der Identität seines gesellschaftsvertraglichen Vertragspartners. Wegen der in den Gesellschaftsverträgen erfolgten Gleichstellung der Treugeber mit den (unmittelbaren) Kommanditisten steht dieser Anspruch auch den nur über einen Treuhänder beigetretenen Anlegern zu und kann in den Gesellschafts- und Treuhandverträgen nicht ausgeschlossen werden. Hinreichende Anhaltspunkte für eine konkrete Gefahr des Missbrauchs der Daten durch die klagenden Anleger selbst oder unter deren Beteiligung waren in den entschiedenen Fällen nicht dargelegt.

Urteile vom 5. Februar 2013

BGH II ZR 134/11

LG München I – Urteil vom 3. Dezember 2010 – 6 O 7299/10

OLG München – Urteil vom 18. Mai 2011 – 7 U 190/11

und

BGH II ZR 136/11

LG München I – Urteil vom 23. November 2010 – 16 HKO 14213/10

OLG München – Urteil vom 18. Mai 2011 – 7 U 5642/10

Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 5. Februar 2013

Erkundigungspflicht eines Call-by-Call-Nutzers hinsichtlich des jeweils geltenden Tarifs vor der Anwahl einer Call-by-Call-Vorwahl

Das Amtsgericht Lübeck hat mit Urteil vom 22.05.2012 (Aktenzeichen:  33 C 477/12) entschieden, dass es Sache des Nutzers eines Call-by-Call-Services ist, sich vor der Anwahl der Call-by-Call-Nummer über den jeweils geltenden Tarif zu informieren. Tut er dies nicht, so kann er den Telefondienstvertrag nicht wegen Irrtums (§ 119 BGB) über die Höhe des Tarifes anfechten, sondern muss die angefallenen Gesprächsgebühren bezahlen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil es seit Jahren allgemein bekannt ist, dass am Markt eine Vielzahl unterschiedlichster Tarife angeboten werden.

Des weiteren hat das Amtsgericht entschieden, dass ein Minutenpreis von 1,61 € nicht den Vorwurf des Wuchers begründet, obwohl der Kunde vorgetragen hatte, dass der Call-by-Call-Anbieter zuvor lediglich 0,03 € pro Minute verlangt habe.

Lesen Sie das Urteil nachfolgend im Volltext:

In dem Rechtsstreit

V. GmbH,
– Klägerin –

gegen

J. B.,
– Beklagter –

hat das Amtsgericht Lübeck, Abteilung 33, im schriftlichen Verfahren gemäß § 495a ZPO aufgrund der bis zum 18.05.2012 eingegangenen Schriftsätze am 22.05.2012 durch den
Richter am Amtsgericht Dr. H. für Recht erkannt:

Tenor:

1.Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 196,41 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 167,43 € seit dem 04.01.2010 und aus weiteren 28,98 € seit dem 08.02.2010 sowie unverzinsliche Kosten in Höhe von 28,75 € zu zahlen.

2.Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3.Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4.Die Berufung wird nicht zugelassen.

Gebührenstreitwert: 196,41 €


Entscheidungsgründe

(von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313a Abs. 1 ZPO abgesehen)

Die Klage ist nach den unstreitigen Tatsachen begründet.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 196,41 € aus Verträgen über die Nutzung des von der Klägerin kostenpflichtig bereitgestellten Telefondienstes mit der Call-by-Call-Anwahlnummer 01… – Thailand mobil – aus dem Zeitraum 05.11.2009 bis 28.11.2009.

1.

Die Anzahl und Dauer der jeweiligen Gespräche ist unstreitig. Der Beklagte hat insoweit lediglich mitgeteilt, sich an die Dauer der Gespräche nicht mehr im Einzelnen erinnern zu können. Diese Erklärung ist nach § 138 Abs. 3 und 4 ZPO unbeachtlich, der klägerische Vortrag ist insoweit als zugestanden anzusehen. Der Beklagte wendet lediglich ein, ihm sei zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Telefondienste der Minutenpreis von 1,35 € nicht bekannt gewesen. Er habe den Dienst der Klägerin zuvor für 0,03 € pro Minute genutzt. Daher habe der Beklagte den mit der Klägerin bestehenden Vertrag wirksam wegen Irrtums angefochten. Zudem sei ein Minutenpreis von 1,61 € brutto (1,3530 € netto) wucherisch und der Vertrag damit nichtig.

2.

Zwischen den Parteien bestand kein Dauerschuldverhältnis. Der Beklagte hat nicht eine dauernde Verbindung zu der klägerischen Dienstenummer hergestellt. Vielmehr gab die Klägerin als Telekommunikationsdiensteanbieter durch die Bereithaltung ihrer Leistung im Telekommunikationsnetz eine Realofferte ab. Diese hat der Beklagte als Anschlussnutzer jeweils schlüssig durch die Anwahl der Vorwahlnummer 01… angenommen. In solchen Fällen tritt neben den als Dauerschuldverhältnis zu qualifizierenden Telefondienstvertrag mit dem Teilnehmernetzbetreiber ein weiteres Rechtsverhältnis mit dem Anbieter eines TK-Dienstes hinzu, wenn der Nutzer einen solchen Dienst anwählt (BGHZ 158, 201 ff.; BGH NJW 2005, 3636, […] Rn. 10).

Im Rahmen dieser vielen Einzelvertragsabschlüsse war die Klägerin nicht verpflichtet, den Beklagten auf Tarifänderungen hinzuweisen. Vielmehr war es Sache des Beklagten, vor Einwahl den für ihn günstigsten Preise am Markt und die entsprechenden Einwahl-Nummern zu ermitteln. Es ist seit Jahren allgemein bekannt, dass am Markt eine Vielzahl unterschiedlichster Tarife angeboten werden. Das Gericht teilt daher die Auffassung einer Reihe anderer Gerichte, dass es Sache des jeweiligen Telekommunikationskunden ist, Preise/Tarife sowie deren Vor- und Nachteile des jeweiligen Anbieters vor dem Vertragsabschluss zu prüfen (vgl. statt vieler AG Saarlouis, Urteil vom 13.10.2010, 26 C 858/10). Zur Begründung wird zutreffend unter anderem angeführt, dass einem Kunden, der Telekommunikationsdienste nicht über den Anbieter seines Festnetzanschlusses – hier die T. – bezieht, sondern die Leistung eines Call-by-Call-Dienstes neben den Diensten ihres Festnetzbetreibers in Anspruch nimmt, der vorgenannte Umstand offensichtlich bekannt ist.

3.

Der von der Klägerin beanspruchte Minutenpreis ist nicht wucherisch im Sinne von § 138 Abs.1 und 2 BGB. Der Beklagten hat zu den üblichen Preisspannen für vergleichbare Telekommunikationsdienstleistung nichts vorgetragen. Ebenso wenig hat er dargelegt, dass die Klägerin eine Zwangslage, Unerfahrenheit, einen Mangel an Urteilsvermögen oder eine erhebliche Willensschwäche des Beklagten ausgebeutet hätte.

4.

Ein Widerrufsrecht stand dem Beklagten nicht zu, § 312d Abs. 4 Nr. 7 BGB.

5.

Die Einzelverträge sind auch nicht durch die Anfechtung des Beklagten rückwirkend nach § 142 Abs. 1 BGB nichtig geworden, denn der Beklagte war zur Irrtumsanfechtung nach § 119 BGB nicht berechtigt. Der Beklagte unterlag nämlich allenfalls einem unbeachtlichen verdeckten Berechnungsirrtum, da er fälschlich von einem geringeren Minutenpreis ausging. Der Irrtum entstand folglich bei der (fehlenden) Vorbereitung der Erklärungshandlung. Dieser Irrtum ist unbeachtlich (Palandt-Ellenberger, BGB, 71. Aufl. 2012, § 119 Rn. 18 und 29).

Es wäre Sache des Beklagten gewesen, sich über die aktuell günstigsten Call-by-Call-Vorwahlen zu informieren, sei es in der Presse oder über entsprechende Vergleichsseiten im Internet. Wer dies unterlässt, ist nicht zur Anfechtung des Telefondienstleistungsvertrages wegen Irrtums berechtigt.

6.

Die Nebenforderungen folgen in zuletzt noch geltend gemachter Höhe aus §§ 284 Abs. 1, 288, 286 Abs. 1 BGB, 287 Abs. 1 ZPO.

7.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Teilrücknahme betraf nur Nebenforderungen und hat keine Kosten ausgelöst.

8.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

9.

Die Berufung ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 511 Abs. 4 ZPO nicht vorliegen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch ist zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichtes erforderlich.

Dr. H.