Der EuGH hat mit heutigen Urteil (C-301/18) entschieden, dass ein Darlehensnehmer nach dem Widerruf eines im Fernabsatz geschlossenen Darlehensvertrages keinen Nutzungsersatz auf die im Rahmen der Vertragserfüllung erhaltenen Beträge verlangen kann.
2005 schloss Herr L. als Verbraucher im Fernabsatz mit der
DSL-Bank zwei Darlehensverträge zur Finanzierung zweier
Eigentumswohnungen. 2015 erklärte er gegenüber der DSL-Bank den Widerruf
dieser Verträge. Er machte geltend, dass die ihm beim Vertragsschluss
überlassene Widerrufsbelehrung fehlerhaft gewesen sei. Da die DSL-Bank
nicht anerkannte, dass Herr L. die in Rede stehenden Verträge wirksam
widerrufen hatte, erhob dieser beim LG Bonn Klage auf Feststellung der
Wirksamkeit seines Widerrufs sowie auf Verurteilung der DSL-Bank zur
Zahlung von Nutzungsersatz auf die Zinsen, die er bis zum Widerruf an
die DSL-Bank gezahlt hatte. Nach Ansicht des Landgerichts konnte Herr L.
die Verträge wirksam widerrufen, da die Widerrufsbelehrung fehlerhaft
gewesen sei. Was die Folgen des Widerrufs anbelangt, weist das
Landgericht darauf hin, dass der Darlehensnehmer nach deutschem Recht
verpflichtet sei, dem Darlehensgeber das ausgezahlte Darlehen
zurückzugewähren und die daraus gezogenen Nutzungen herauszugeben. Diese
beliefen sich grundsätzlich auf die Zinsen, die in dem von den Parteien
geschlossenen Vertrag vorgesehen seien. Der Darlehensgeber sei
seinerseits verpflichtet, dem Darlehensnehmer nicht nur die erhaltenen
Beträge zurückzugewähren, sondern außerdem Nutzungsersatz hierauf zu
leisten. Nach Auffassung des Landgerichts steht es allerdings nicht im
Einklang mit der Richtlinie 2002/65 über den Fernabsatz von
Finanzdienstleistungen an Verbraucher (Art. 7), dass der Darlehensnehmer
vom Darlehensgeber Nutzungsersatz verlangen könne. Es hat daher den
EuGH um Auslegung der Richtlinie ersucht.
Der EuGH hat dem LG Bonn wie folgt geantwortet:
– Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 23.09.2002 über den Fernabsatz von
Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie
90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG ist dahin
auszulegen, dass ein Verbraucher, der sein Widerrufsrecht in Bezug auf
einen im Fernabsatz mit einem Anbieter geschlossenen Darlehensvertrag
ausübt, von dem Anbieter vorbehaltlich der Beträge, die er selbst unter
den in Art. 7 Abs. 1 und 3 dieser Richtlinie genannten Bedingungen an
ihn zahlen muss, die Erstattung der zur Erfüllung des Vertrags gezahlten
Tilgungs- und Zinsbeträge verlangen kann, nicht aber Nutzungsersatz auf
diese Beträge.
Zahlt der Verbraucher zur Erfüllung des Darlehensvertrags das
Darlehenskapital zuzüglich Zinsen an den Anbieter, muss dieser nach
Auffassung des EuGH im Fall des Widerrufs dem Verbraucher sowohl die
Tilgungsbeträge als auch die Darlehenszinsen erstatten. Die Richtlinie,
die grundsätzlich eine Vollharmonisierung der von ihr geregelten Aspekte
bewirke, sehe hingegen nicht vor, dass der Anbieter, wenn der
Verbraucher den mit ihm geschlossenen Vertrag widerrufe, verpflichtet
wäre, über die Erstattung der vom Verbraucher gezahlten Tilgungs- und
Zinsbeträge hinaus auch Nutzungsersatz auf die im Rahmen der
Vertragserfüllung erhaltenen Beträge an den Verbraucher zu leisten.
Vorinstanz
LG Bonn, EuGH-Vorlage v. 17.04.2018 – 17 O 146/17
Quelle: Pressemitteilung des EuGH v. 04.06.2020