Urheberrechtliche Pflichten eines Videoportalbetreibers – GEMA ./. YouTube

Der Betreiber eines Videoportals wie „YouTube“ haftet für Urheberrechtsverletzungen durch von Nutzern hochgeladene Videos nur dann, wenn er in Kenntnis der Rechtsverletzung gegen bestimmte Verhaltens- und Kontrollpflichten verstößt. Das hat heute das Landgericht Hamburg in einem Rechtsstreit zwischen der Verwertungsgesellschaft GEMA und dem Videoportal YouTube entschieden.

Erst nach einem Hinweis auf eine Urheberrechtsverletzung trifft den Portalbetreiber die Pflicht, das betroffene Video unverzüglich zu sperren und im zumutbaren Rahmen geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um erneuten Rechtsverletzungen vorzubeugen. Eine Verpflichtung zur Kontrolle sämtlicher auf die Plattform bereits hochgeladenen Videoclips besteht dagegen nicht.

Die GEMA wollte mit ihrer Klage erreichen, dass der beklagten Betreiberin des Internet-Videoportals „YouTube“ verboten wird, weiterhin zwölf Musikwerke, an denen die GEMA die Rechte wahrnimmt, via „YouTube“ in Deutschland zugänglich zu machen. Die Beklagte lehnte eine Unterlassungsverpflichtung ab, da sie für etwaige Urheberrechtsverletzungen nicht hafte. Zum einen stelle sie ihre Videoplattform lediglich den Nutzern zur Verfügung und habe die fraglichen Videos weder selbst erstellt noch hochgeladen. Zum anderen habe sie alle ihr zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um Urheberrechtsverletzungen zu begegnen.

Die zuständige Urheberrechtskammer hat die Beklagte hinsichtlich sieben der zwölf streitbefangenen Musikwerke zur Unterlassung verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Entgegen der Argumentation der Klägerin hat das Gericht jedoch eine sog. „Täterhaftung“ der Beklagten hinsichtlich der Urheberrechtsverletzungen verneint und lediglich eine sog. „Störerhaftung“ angenommen. Da die Beklagte die urheberrechtsverletzenden Videos weder selbst hochgeladen habe, noch sich deren Inhalte zu eigen gemacht habe, hafte sie nicht als Täterin. Allerdings habe sie durch das Bereitstellen und den Betrieb der Videoplattform einen Beitrag zu den Rechtsverletzungen geleistet. Aufgrund dieses Beitrags träfen die Beklagte Verhaltens- und Kontrollpflichten. Diese habe sie verletzt und sei deshalb der Klägerin als „Störerin“ zur Unterlassung verpflichtet.

So habe die Beklagte im Umfang der Verurteilung gegen die Pflicht verstoßen, die betroffenen Videoclips unverzüglich zu sperren, nachdem sie von der Klägerin über die Urheberrechtsverletzungen informiert worden war. Hinsichtlich der fraglichen sieben Videos sei eine Sperre erst gut eineinhalb Monate nach der Benachrichtigung durch die Klägerin erfolgt. Bei einem solchen Zeitraum könne von einem unverzüglichen Handeln nicht mehr gesprochen werden.

Zu der Frage, welche weiteren Prüfungs- und Kontrollpflichten die Beklagte treffen, hat das Gericht auf die Notwendigkeit einer Verhältnismäßigkeitsprüfung hingewiesen, bei der die betroffenen Interessen und rechtlichen Wertungen gegeneinander abzuwägen seien. Der Beklagten dürften danach keine Anforderungen auferlegt werden, die ihre grundsätzlich zulässige Tätigkeit unverhältnismäßig erschwerten. Zuzumuten sei ihr jedoch, nach Erhalt eines Hinweises auf eine Urheberrechtsverletzung durch den Einsatz einer Software künftige Uploads zu verhindern, die eine mit der gemeldeten Musikaufnahme übereinstimmende Aufnahme enthielten. Eine dazu geeignete Software stehe der Beklagten in Form des von ihr entwickelten Content-ID-Programms zur Verfügung. Die Beklagte müsse besagtes Programm aber selbst anwenden und könne die Anwendung nicht, wie von ihr vertreten, den Rechteinhabern überlassen. Dagegen sei die Beklagte nicht verpflichtet, ihren gesamten Datenbestand mittels des Content-ID-Programms auf Urheberrechtsverletzungen zu durchsuchen. Die Prüfungs- und Kontrollpflichten einer als Störer in Anspruch genommenen Person begönnen immer erst ab Kenntnis von einer konkreten Rechtsverletzung. Eine Verpflichtung zur Vorsorge gelte daher nur für die Zukunft.

Um die Anzahl der von der Software der Beklagten nicht erfassten Rechtsverletzungen zu reduzieren, sei die Beklagte außerdem verpflichtet, einen Wortfilter zu installieren. Der Wortfilter solle neu eingestellte Videos herausfiltern, deren Titel sowohl den Titel als auch den Interpreten der in einem Video beanstandeten Musikaufnahme enthält. Dies sei notwendig, weil mit dem Content-ID-Programm nur Tonaufnahmen identifiziert würden, die mit der gespeicherten Referenzaufnahme identisch seien. Abweichende Aufnahmen (z.B. Live-Darbietung statt Studioaufnahme) erkenne die Software nicht.

Hinsichtlich fünf der zwölf von der Klägerin benannten Musikwerke ist nicht ersichtlich, dass es nach dem Hinweis der Klägerin an die Beklagte auf die Rechtsverletzungen noch zu weiteren Uploads gekommen ist. Damit konnte nicht festgestellt werden, dass die Pflichtverletzung der Beklagten für weitere Rechtsverletzungen ursächlich geworden ist, und entsprechend war die Klage hinsichtlich dieser Musikwerke abzuweisen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Quelle: Mitteilung der Pressestelle des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 20.04.2012

BVerfG: Zum unerlaubten Filesharing im Internet

Der Beschwerdeführer – ein auf Onlinerecherche und Internetpiraterie
spezialisierter Polizeibeamter – wurde von Unternehmen der
Musikindustrie auf Schadensersatz aufgrund von Filesharing über seinen
privaten Internetzugang in Anspruch genommen. Nachdem unstreitig
geworden war, dass der volljährige Sohn der Lebensgefährtin des
Beschwerdeführers über dessen Internetzugang in einer Tauschbörse
Musikdateien zum Download angeboten hatte, nahmen die Klägerinnen ihren
Schadensersatzanspruch zurück, forderten aber weiterhin Ersatz der durch
die Abmahnung entstandenen Rechtsanwaltskosten. Das Landgericht
verurteilte den Beschwerdeführer antragsgemäß. Dieser hafte für die
durch das unerlaubte Filesharing begangene Schutzrechtsverletzung, weil
er seinen Internetzugang zur Verfügung gestellt und dadurch die
Teilnahme an der Musiktauschbörse ermöglicht habe. Vor dem Hintergrund
seiner besonderen beruflichen Kenntnisse habe für den Beschwerdeführer
jedenfalls eine Prüf- und Handlungspflicht bestanden, um der Möglichkeit
einer solchen Rechtsverletzung vorzubeugen.

Das Oberlandesgericht wies die dagegen eingelegte Berufung im
Wesentlichen zurück und begründete seine Entscheidung unter Verweisung
auf die „Sommer unseres Lebens“-Entscheidung des Bundesgerichtshofs
(BGHZ 185, 330) damit, dass der Inhaber eines Internetanschlusses, der
diesen einem Dritten zur eigenverantwortlichen Nutzung überlasse, den
Dritten darüber aufklären müsse, dass die Teilnahme an Tauschbörsen
verboten sei. Die Revision gegen sein Urteil ließ das Oberlandesgericht
nicht zu.

Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat das
Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten
Entscheidung zurückverwiesen.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:

Das Urteil des Oberlandesgerichts verletzt den Beschwerdeführer in
seinem Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG,
weil es nicht erkennen lässt, aus welchen Gründen die Revision zum
Bundesgerichtshof nicht zugelassen wurde, obwohl deren Zulassung im
vorliegenden Fall nahe gelegen hätte.

Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 der Zivilprozessordnung
zwingend zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat
oder eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts
oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.
Die hier entscheidende Rechtsfrage, ob einen Internetanschlussinhaber
Prüf- und Instruktionspflichten gegenüber sonstigen Nutzern des
Anschlusses treffen, wird von den Oberlandesgerichten nicht einheitlich
beantwortet. Während teilweise die Auffassung vertreten wird, dass eine
Pflicht, die Benutzung seines Internetanschlusses zu überwachen oder
gegebenenfalls zu verhindern, nur besteht, wenn der Anschlussinhaber
konkrete Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Nutzung seines
Anschlusses hat, lässt das mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene
Urteil für das Entstehen einer Instruktions und Überwachungspflicht
grundsätzlich bereits die Überlassung des Anschlusses an einen Dritten,
gleich welchen Alters, genügen. Der Bundesgerichtshof hat die Frage, ob
und in welchem Umfang Prüfpflichten des Anschlussinhabers bestehen, für
die hier relevante Konstellation noch nicht entschieden. Die vom
Oberlandesgericht herangezogene „Sommer unseres Lebens“-Entscheidung
beantwortet die Frage nicht; sie betraf einen anderen Sachverhalt,
nämlich die Frage, inwieweit ein WLAN-Anschluss gegen die Benutzung
durch außenstehende Dritte gesichert werden muss.

Obwohl eine Zulassung der Revision nahe lag, hat das Oberlandesgericht
keine nachvollziehbaren Gründe dafür angeführt, warum es die Revision
nicht zugelassen hat. Sowohl im Hinblick auf die Bedeutung der
Rechtssache als auch zur Herbeiführung einer einheitlichen
Rechtsprechung erschien aber eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs
als Revisionsgericht erforderlich. Denn die hier klärungsbedürftige
Rechtsfrage kann sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle
stellen und berührt deshalb das Interesse der Allgemeinheit an der
einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts; überdies weicht das
angegriffene Urteil entscheidungserheblich von der Auffassung anderer
Oberlandesgerichte ab.

Quelle: Bundesverfassungsgericht, Pressemitteilung Nr. 22/2012 vom 13. April 2012
zum Beschluss vom 21. März (1 BvR 2365/11)

Urteil im sog. „Abofallen-Verfahren“ vor dem Landgericht Hamburg – Gericht verhängt Freiheits- und Geldstrafen

Das Landgericht Hamburg hat heute im Verfahren gegen sieben Angeklagte wegen des Betreibens von Kostenfallen im Internet Freiheitsstrafen zwischen einem Jahr und 3 ¾ Jahren sowie Geldstrafen verhängt.

Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass die Angeklagten – teilweise als Täter, teilweise als Gehilfen – über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren im Internet „Abofallen“ betrieben haben. Auf diese Weise haben sie bei ca. 65.000 Internetnutzern einen Schaden von insgesamt mindestens 4,5 Millionen Euro verursacht.

Die Angeklagten haben mit unterschiedlichen Unternehmen im Internet sog. Sinnlosangebote unterbreitet. Sie haben Leistungen kostenpflichtig angeboten, die andernorts kostenfrei zu erhalten waren. Auf diese Weise wurde z.B. Freeware, d.h. frei erhältliche Software, kostenpflichtig angeboten. Dabei war der Hinweis auf die Kostenpflicht allerdings absichtlich so positioniert, dass er bei flüchtiger Betrachtung der Websites leicht übersehen werden konnte. Wer sich auf den Websites der Angeklagten anmeldete, erhielt anschließend eine E-Mail, in der ihm der Abschluss eines Vertrags bestätigt und er zur Zahlung von 60,– bzw. 84,– Euro aufgefordert wurde. Kam er der Zahlungsaufforderung nicht nach, folgten in zahlreichen Fällen Zahlungsaufforderungen seitens des ebenfalls mitangeklagten Rechtsanwalts.

Nach dem Urteil der zuständigen Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Hamburg erfüllt dieses Verhalten den Tatbestand des Betruges. Mit den an die Kunden versandten Zahlungsaufforderungen täuschten die Angeklagten den Kunden vor, diese seien eine vertragliche Zahlungsverpflichtung eingegangen. Tatsächlich waren jedoch keine Verträge zustande gekommen, weil den Angeklagten wegen des Inhalts ihrer sinnlosen Angebote und der gezielten Gestaltung ihrer Websites klar war, dass Kunden, die sich dort anmeldeten, den Kostenhinweis übersehen hatten. Wenn aber ein Kunde keine entgeltliche Leistung in Anspruch nehmen möchte und der Anbieter dies erkennt bzw. hiervon ausgeht, kommt kein Vertrag über eine kostenpflichtige Leistung zustande.

Der Angeklagte, der als Initiator der Taten an allen wesentlichen Entscheidungen maßgeblich beteiligt und für die Konzeption der Websites verantwortlich war, ist insbesondere wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt worden. Gegen drei weitere Angeklagte wurden Freiheitsstrafen zwischen einem Jahr und einem Jahr und zehn Monaten festgesetzt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die übrigen drei Angeklagten wurden wegen ihrer untergeordneten Beihilfehandlungen zu Geldstrafen verurteilt bzw. mit Strafvorbehalt verwarnt.

Das gerichtliche Aktenzeichen lautet 608 KLs 8/11. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Gegen die Entscheidung kann binnen einer Woche Revision eingelegt werden. Hierüber entschiede dann der Bundesgerichtshof.

Quelle: Mitteilung der Pressestelle des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 21.03.2012