Urteil des Landgerichts Hamburg, Az.: 309 O 177/09 vom 26.11.2009

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 93.180,– nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 17. Juni 2009 zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe von € 100.000,– Lehman Bros Treasury Co. B.V. EO-FLR Basket Lkd MTN 2008 (14) 25. Mai.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, € 2.063,20 an den Kläger zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen fehlerhafter Anlageberatung auf Schadensersatz in Anspruch.

Der Kläger war seit 1997 Kunde der Beklagten. Unter dem 6. August 2008 schrieb er an die Beklagte gemäß Anlage K 1. Für den Inhalt des Schreibens im Einzelnen wird auf die genannte Anlage Bezug genommen. Am 21. August 2008 suchte der Bankberater der Beklagten, Herr Bankberater M., den Kläger auf. Gegenstand des Gesprächs waren die Finanzanlagen des Klägers. Herr Bankberater M. empfahl dem Kläger, die streitgegenständliche Lehman-Anleihe ins Depot zu nehmen und überreichte dem Kläger in diesem Zusammenhang die Produktinformation gemäß Anlage K 3. In dieser Produktinformation ist die Bonität der Emittentin mit „A+“ angegeben. Tatsächlich hatte die Emittentin zum Zeitpunkt des Beratungsgesprächs eine Bonität von „A“. Der Kläger erwarb daraufhin das im Tenor aufgeführte Wertpapier gemäß Abrechnung vom 25. August 2008 (Anlage K 6).

Im September 2008 wurde über die Emittentin das Insolvenzverfahren eingeleitet.

Der Kläger macht geltend, die Beklagte habe ihn nicht zutreffend über die Bonität der Wertpapieremittentin informiert. Wenn er gewusst hätte, dass sich die wirtschaftliche Lage der Emittentin verschlechterte, hätte er das Wertpapier nicht gekauft.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 93.180,– nebst 5 %-Punkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz hieraus seit Klagerhebung zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe der gekauften Papiere

und

die Beklagte zu verurteilen, € 2.063,20 außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühr an den Kläger zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie macht geltend, der Unterschied im Rating zwischen „A+“ und „A“ sei äußerst gering. Beide Einordnungen deuteten auf eine solide Bonität hin. Deswegen hätte der Kläger nicht vom Kauf der Anleihe abgesehen, wenn er über die Herabstufung informiert worden wäre.

Wegen des übrigen Vortrages der Parteien wird auf die zur Akte gelangten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet. Die Beklagte ist gemäß § 280 Abs. 1 BGB verpflichtet, dem Kläger den entstandenen Schaden zu ersetzen.

Zwischen den Parteien bestand ein Beratungsvertrag. Der Kläger war seit Längerem Kunde bei der Beklagten und bat gemäß Schreiben vom 6. August 2008 um eine Anlageempfehlung, woraufhin dann ein entsprechendes Beratungsgespräch stattgefunden hat.

Die Beklagte hat ihre aus dem Beratungsvertrag fließende Pflicht, den Kläger zutreffend zu beraten, schuldhaft verletzt, denn sie hat dem Kläger die Produktinformation gemäß Anlage K 3 übergeben, ohne den Kläger darüber aufzuklären, dass die Bonität der Wertpapieremittentin abweichend vom Inhalt der Produktinformation inzwischen nicht mehr „A+“ sondern nur noch „A“ war.

Es besteht eine Vermutung dafür, dass der Kläger bei zutreffender Beratung das Wertpapier nicht gekauft hätte (vgl. BGH vom 2.3.2009, NJW-RR 2009, 689 und vom 12.5.2009, NJW 2009, 2298). Denn die Bonität des Schuldners gehört bei einer Kapitalanlage wie der vorliegenden Art zu den wesentlichen Anlagekriterien.

Die Vermutung ist im vorliegenden Fall nicht erschüttert. Insbesondere ergibt sich so etwas nicht daraus, dass auch ein Rating von „A“ noch nicht das eines Ramschpapiers ist. Denn wie aus dem Schreiben Anlage K 1 folgt, ging es dem Kläger bei der Kapitalanlage um Altersvorsorge. Daraus folgt, dass der Kapitalerhalt über das durchschnittliche Maß hinaus für ihn von besonderer Bedeutung war, da mit Eintritt in den Ruhestand eingetretene Kapitalverluste nicht mehr etwa durch Einsatz der Arbeitskraft über einen längeren Zeitraum ausgeglichen werden können, sondern das Geld alsbald zum Lebensunterhalt benötigt wird.

Bei diesen Überlegungen unterstellt die Kammer zugunsten der Beklagten, dass sie den Kläger über das Risiko eines Totalverlustes aufgeklärt hat. Wenn sie das nicht getan hätte, würde sie schon aufgrund dieses Umstandes haften.

Der dem Kläger entstandene Schaden besteht in dem Vermögensverlust, der durch die Bezahlung des Kaufpreises eingetreten ist und den dem Kläger entstandenen Aufwand für die Verfolgung seiner Ansprüche gegen die Beklagte durch Einschaltung eines Rechtsanwalts, die er für erforderlich halten durfte, weil es um eine sowohl rechtlich wie auch tatsächlich anspruchsvollen Sachverhalt ging.

Zinsen stehen dem Kläger in ausgeurteiltem Umfang gemäß §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1, 291 BGB zu.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Soweit der Kläger zunächst Zahlung ohne Rückgabe der gekauften Papiere verlangt hat, handelt es sich angesichts der Insolvenz der Wertpapieremittentin lediglich um eine geringfügige Zuvielforderung.

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