BVerfG: Zum unerlaubten Filesharing im Internet

Der Beschwerdeführer – ein auf Onlinerecherche und Internetpiraterie
spezialisierter Polizeibeamter – wurde von Unternehmen der
Musikindustrie auf Schadensersatz aufgrund von Filesharing über seinen
privaten Internetzugang in Anspruch genommen. Nachdem unstreitig
geworden war, dass der volljährige Sohn der Lebensgefährtin des
Beschwerdeführers über dessen Internetzugang in einer Tauschbörse
Musikdateien zum Download angeboten hatte, nahmen die Klägerinnen ihren
Schadensersatzanspruch zurück, forderten aber weiterhin Ersatz der durch
die Abmahnung entstandenen Rechtsanwaltskosten. Das Landgericht
verurteilte den Beschwerdeführer antragsgemäß. Dieser hafte für die
durch das unerlaubte Filesharing begangene Schutzrechtsverletzung, weil
er seinen Internetzugang zur Verfügung gestellt und dadurch die
Teilnahme an der Musiktauschbörse ermöglicht habe. Vor dem Hintergrund
seiner besonderen beruflichen Kenntnisse habe für den Beschwerdeführer
jedenfalls eine Prüf- und Handlungspflicht bestanden, um der Möglichkeit
einer solchen Rechtsverletzung vorzubeugen.

Das Oberlandesgericht wies die dagegen eingelegte Berufung im
Wesentlichen zurück und begründete seine Entscheidung unter Verweisung
auf die „Sommer unseres Lebens“-Entscheidung des Bundesgerichtshofs
(BGHZ 185, 330) damit, dass der Inhaber eines Internetanschlusses, der
diesen einem Dritten zur eigenverantwortlichen Nutzung überlasse, den
Dritten darüber aufklären müsse, dass die Teilnahme an Tauschbörsen
verboten sei. Die Revision gegen sein Urteil ließ das Oberlandesgericht
nicht zu.

Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat das
Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten
Entscheidung zurückverwiesen.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:

Das Urteil des Oberlandesgerichts verletzt den Beschwerdeführer in
seinem Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG,
weil es nicht erkennen lässt, aus welchen Gründen die Revision zum
Bundesgerichtshof nicht zugelassen wurde, obwohl deren Zulassung im
vorliegenden Fall nahe gelegen hätte.

Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 der Zivilprozessordnung
zwingend zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat
oder eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts
oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.
Die hier entscheidende Rechtsfrage, ob einen Internetanschlussinhaber
Prüf- und Instruktionspflichten gegenüber sonstigen Nutzern des
Anschlusses treffen, wird von den Oberlandesgerichten nicht einheitlich
beantwortet. Während teilweise die Auffassung vertreten wird, dass eine
Pflicht, die Benutzung seines Internetanschlusses zu überwachen oder
gegebenenfalls zu verhindern, nur besteht, wenn der Anschlussinhaber
konkrete Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Nutzung seines
Anschlusses hat, lässt das mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene
Urteil für das Entstehen einer Instruktions und Überwachungspflicht
grundsätzlich bereits die Überlassung des Anschlusses an einen Dritten,
gleich welchen Alters, genügen. Der Bundesgerichtshof hat die Frage, ob
und in welchem Umfang Prüfpflichten des Anschlussinhabers bestehen, für
die hier relevante Konstellation noch nicht entschieden. Die vom
Oberlandesgericht herangezogene „Sommer unseres Lebens“-Entscheidung
beantwortet die Frage nicht; sie betraf einen anderen Sachverhalt,
nämlich die Frage, inwieweit ein WLAN-Anschluss gegen die Benutzung
durch außenstehende Dritte gesichert werden muss.

Obwohl eine Zulassung der Revision nahe lag, hat das Oberlandesgericht
keine nachvollziehbaren Gründe dafür angeführt, warum es die Revision
nicht zugelassen hat. Sowohl im Hinblick auf die Bedeutung der
Rechtssache als auch zur Herbeiführung einer einheitlichen
Rechtsprechung erschien aber eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs
als Revisionsgericht erforderlich. Denn die hier klärungsbedürftige
Rechtsfrage kann sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle
stellen und berührt deshalb das Interesse der Allgemeinheit an der
einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts; überdies weicht das
angegriffene Urteil entscheidungserheblich von der Auffassung anderer
Oberlandesgerichte ab.

Quelle: Bundesverfassungsgericht, Pressemitteilung Nr. 22/2012 vom 13. April 2012
zum Beschluss vom 21. März (1 BvR 2365/11)

Die angemessene Vergütung nach §§ 32 ff. Urheberrechtsgesetz (UrhG)

Häufig klagen Künstler, Autoren und Ãœbersetzer literarischer Werke über eine unangemessen niedrige Vergütung für ihre kreativen Leistungen. Diese ist oftmals das Resultat der Vertragsverhandlungen zweier ungleicher Partner: Auf der einen Seite ein ökonomisch schwacher und in vertraglichen Angelegenheiten unerfahrener Urheber, auf der anderen Seite ein wirtschaftlich starker und rechtlich versierter “Verwertungsapparat”, der dem Urheber seine Vertrags- und Vergütungsbedingungen mehr oder weniger diktieren kann. In anderen Fällen wird die Unangemessenheit der ursprünglich vereinbarten Vergütung erst im Nachhinein sichtbar, wenn sich ein unvorhergesehener kommerzieller Erfolg des Werkes einstellt. Beides sind Konstellationen, die es rechtfertigen,  die ursprünglich vereinbarte Vergütung des Urhebers auf ein angemessenes Niveau anzuheben.

Die Anwendung von § 32 und § 32a UrhG

Die §§ 32* und 32a** UrhG geben dem Urheber das rechtliche Instrumentarium zu der in diesen Fällen erforderlichen Korrektur seiner Vergütung an die Hand. Ziel des Gesetzgebers war zwar nicht, dem Urheber zu einem möglichst hohen Einkommen zu verhelfen, sondern es ging ihm um die angemessene wirtschaftliche Beteiligung des Urhebers / ausübenden Künstlers an der Verwertung seiner Leistung.

§ 32 Abs. 1 S. 1 UrhG bestimmt den Fall, dass über eine Vergütung keine Verabredung getroffen bzw. die exakte Vergütungshöhe nicht bestimmt wurde. Die dann fortan als angemessene Vergütung geltende Höhe orientiert sich am Maßstab der Legaldefinition des § 32 Abs. 2 UrhG:

“Die Vergütung ist angemessen, wenn sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses dem entspricht, was im Geschäftsverkehr nach Art und Umfang der eingeräumten Nutzungsmöglichkeit, insbesondere nach Dauer und Zeitpunkt der Nutzung, unter Berücksichtigung aller Umstände üblicher- und redlicherweise zu leisten ist.” Der Zeitpunkt der Angemessenheit ist der Vertragsschluss (ex ante).

Die Ãœblichkeit und Redlichkeit

Von entscheidender Bedeutung sind hierbei die Begriffe der Üblich- und Redlichkeit. Hier gilt es, diese in einem Stufenverhältnis zu betrachten; zunächst bedarf es der Ergründung der Üblichkeit und anschließend falls notwendig einer Korrektur mit Hilfe der Redlichkeit.

“Ãœblich ist, was verständige Vertragsparteien auf das individuelle Werk bezogen verständigerweise vereinbart hätten oder wofür aus typisierter Perspektive Tarife vorhanden sind” (vgl. Flechsig, ZUM 2000, S. 489 f.). Die Vergütungssätze anderer Branchen können als Vergleichsmaßstab herangezogen werden (vgl. Schricker, GRUR Int 2002, S. 806).

Was die Redlichkeit in Bezug auf die Angemessenheit hingegen betrifft, geht diese der Üblichkeit ebenso vor, wie in § 157 BGB Treu und Glauben der Verkehrssitte. Bei der Redlichkeit ist regelmäßig eine Interessenabwägung anzustellen, wobei die Interessenlagen des Urhebers sowie die Interessenlagen des Verwerters als gleichwertig anzusehen sind. Diesbezüglich bietet sich folgende Formel für die Berechnung der angemessenen Vergütung an (die Wertungskriterien fließen in den Beteiligungsprozentsatz ein):

   pB
Va = Eea x  ______
  100%

 

(Va: angemessene Vergütung, Eea: Ertrag(-sprognose) ex ante, pB: Beteiligungsprozentsatz (Richtwert: 50 %); vgl. Thomas Fuchs, in: “Die angemessene Vergütung des Urhebers”, S. 8 )

Bei der Beurteilung der Angemessenheit des § 32 Abs. 2 UrhG sind ebenfalls die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Laut Gesetzesbegründung (Bundestagsdrucksache 14/8058, S. 18.) kommen folgende Umstände in Betracht:

• Art und Umfang der Werknutzung
• Investitionen
• Kosten
• Zu erzielende Einnahmen
• Marktverhältnisse
• Risikotragung
• Zahl der hergestellten Werkstücke bzw. öffentlichen Wiedergaben

Ist die vereinbarte Vergütung letztlich nicht als angemessen anzusehen, so greift § 32 Abs. 1 S. 3 UrhG: Der Urheber hat einen Anspruch auf Vertragsanpassung, durch die dem Urheber wiederum die angemessene Vergütung gewährt wird.

Die praktische Umsetzung

In der Praxis sah die Rechtsprechung z.B. ein Pauschalhonorar für eine Romanübersetzung mehrfach als nicht angemessen an. Vielmehr “erfordere ein nach dem Maßstab von Dauer, Umfang und Intensität der durch die Rechteinräumung ermöglichten Nutzungshandlungen ermitteltes Absatzhonorar”. Der Bundesgerichtshof hielt hier für die räumlich, zeitlich und inhaltlich unbeschränkten Nutzungsrechte an den Ãœbersetzungen eine Absatzvergütung in Höhe von 0,8 % bzw. 0,4 % (bei Taschenbuchausgaben) des Nettoladenverkaufspreises bei bis zu 5.000 Exemplaren für angemessen (vgl. BGH, Urteil v. 20.01.2011, Az.: I ZR  78/08; Absatzvergütung als Maßstab: OLG München, Urteil v. 08.02.2007, Az.: 6 U 5649/05). Das Oberlandesgericht München gab zusätzlich dazu einer Beteiligung von 7/11 der Hälfte des Nettoerlöses, den der Verlag dadurch erzielt, dass er Dritten das Recht zur Nutzung des übersetzten Werks einräumt, statt(vgl. OLG München, Urteil v. 15.07.2010, Az.: 6 U 5785/05). Das Landgericht Hamburg wiederum erachtete eine absatzbezogene Vergütung in Höhe von 1,5 % bezogen auf den Nettoladenpreis für die Einräumung der Hauptrechte, als auch zur Abgeltung der Ãœbertragung der Nebenrechte eine Beteiligung von 10 %  bezogen auf die von dem Werknutzer aus der Lizenzierung dieser Rechte erzielten Erlöse als angemessen (vgl. LG Hamburg, Urteil v. 18.04.2008, Az.: 308 O 450/07).

Zu beachten gilt hier jedoch die Tatsache, dass dieser Anspruch in der gesamten Vertragslaufzeit lediglich einmal geltend gemacht werden kann. Dies gilt immerhin nur solange sich an der Vereinbarung über die Einräumung von Nutzungsrechten und die Erlaubnis zur Werknutzung nichts ändert.

Überschreitet der Verwerter bei der Nutzung des Werkes hingegen die Grenzen des Nutzungsrechts, so ist dieser Anspruch auf Vertragsanpassung zwar nicht gegeben, jedoch dafür ein Schadensersatzanspruch nach den §§ 97 ff. UrhG.

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* § 32 UrhG:
Angemessene Vergütung
(1) Der Urheber hat für die Einräumung von Nutzungsrechten und die Erlaubnis zur Werknutzung Anspruch auf die vertraglich vereinbarte Vergütung. Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, gilt die angemessene Vergütung als vereinbart. Soweit die vereinbarte Vergütung nicht angemessen ist, kann der Urheber von seinem Vertragspartner die Einwilligung in die Änderung des Vertrages verlangen, durch die dem Urheber die angemessene Vergütung gewährt wird.
(2) Eine nach einer gemeinsamen Vergütungsregel (§ 36) ermittelte Vergütung ist angemessen. Im Übrigen ist die Vergütung angemessen, wenn sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses dem entspricht, was im Geschäftsverkehr nach Art und Umfang der eingeräumten Nutzungsmöglichkeit, insbesondere nach Dauer und Zeitpunkt der Nutzung, unter Berücksichtigung aller Umstände üblicher- und redlicherweise zu leisten ist.
(3) Auf eine Vereinbarung, die zum Nachteil des Urhebers von den Absätzen 1 und 2 abweicht, kann der Vertragspartner sich nicht berufen. Die in Satz 1 bezeichneten Vorschriften finden auch Anwendung, wenn sie durch anderweitige Gestaltungen umgangen werden. Der Urheber kann aber unentgeltlich ein einfaches Nutzungsrecht für jedermann einräumen.
(4) Der Urheber hat keinen Anspruch nach Absatz 1 Satz 3, soweit die Vergütung für die Nutzung seiner Werke tarifvertraglich bestimmt ist.

** § 32a UrhG:
Weitere Beteiligung des Urhebers
(1) Hat der Urheber einem anderen ein Nutzungsrecht zu Bedingungen eingeräumt, die dazu führen, dass die vereinbarte Gegenleistung unter Berücksichtigung der gesamten Beziehungen des Urhebers zu dem anderen in einem auffälligen Missverhältnis zu den Erträgen und Vorteilen aus der Nutzung des Werkes steht, so ist der andere auf Verlangen des Urhebers verpflichtet, in eine Änderung des Vertrages einzuwilligen, durch die dem Urheber eine den Umständen nach weitere angemessene Beteiligung gewährt wird. Ob die Vertragspartner die Höhe der erzielten Erträge oder Vorteile vorhergesehen haben oder hätten vorhersehen können, ist unerheblich.
(2) Hat der andere das Nutzungsrecht übertragen oder weitere Nutzungsrechte eingeräumt und ergibt sich das auffällige Missverhältnis aus den Erträgnissen oder Vorteilen eines Dritten, so haftet dieser dem Urheber unmittelbar nach Maßgabe des Absatzes 1 unter Berücksichtigung der vertraglichen Beziehungen in der Lizenzkette. Die Haftung des anderen entfällt.
(3) Auf die Ansprüche nach den Absätzen 1 und 2 kann im Voraus nicht verzichtet werden. Die Anwartschaft hierauf unterliegt nicht der Zwangsvollstreckung; eine Verfügung über die Anwartschaft ist unwirksam. Der Urheber kann aber unentgeltlich ein einfaches Nutzungsrecht für jedermann einräumen.
(4) Der Urheber hat keinen Anspruch nach Absatz 1, soweit die Vergütung nach einer gemeinsamen Vergütungsregel (§ 36) oder tarifvertraglich bestimmt worden ist und ausdrücklich eine weitere angemessene Beteiligung für den Fall des Absatzes 1 vorsieht.

Bekanntmachung der aktuellen Messenliste für die Inanspruchnahme von Ausstellungspriorität (§ 35 MarkenG / § 6a GebrMG / § 15 GeschmMG)

Aufgrund des § 6a Absatz 2 des GebrMG (Gebrauchsmustergesetzes), des § 35 Absatz 3 des MarkenG (Markengesetzes) und des § 15 Absatz 2 des GeschmMG (Geschmacksmustergesetzes) hat das Bundesministerium der Justiz am 05. April 2012 im Bundesgesetzblatt Jahrgang 2012  Teil I Nr. 15 die aktuelle Liste der Messen/Ausstellungen für die Inanspruchnahme von Ausstellungspriorität veröffentlicht.

Die so genannte “Ausstellungspriorität” ermöglicht es einem Schutzrechtsanmelder, dass als Anmeldetag nicht die Einreichung des Antrags gilt, sondern der damit verbundene Schutzbeginn auf den ersten Ausstellungstag auf einer der aufgelisteten staatlich anerkannten Messen vorverlagert wird. Auch Erfindungen, die auf einer derartigen Messe vertreten waren, gelten für einen Zeitraum von 6 Monaten gemäß § 3 Absatz 5 Ziffer 2 Patentgesetz (PatG) als nicht offenbart.

Zu beachten gilt hierbei jedoch, dass die nachfolgende Schutzrechtsanmeldung innerhalb von 6 Monaten seit der ersten Zurschaustellung eingereicht werden muss. Ferner hat der Anmelder bei Inanspruchnahme von Ausstellungspriorität gemäß § 35 Absatz 4 Satz 1 MarkenG innerhalb von 2 Monaten nach der Anmeldung (im Gebrauchsmuster- und Geschmacksmusterrecht bis zum 16. Monat nach dem Tag der erstmaligen Zurschaustellung) den Ausstellungstag sowie die Ausstellung anzugeben. Dies ist wiederum mit einer Aufforderung des DPMA (im Markenrecht innerhalb von 2 Monaten), die Nachweise für die Zurschaustellung einzureichen, gepaart (§ 35 Absatz 4 Satz 2 MarkenG).

Werden diese Nachweise dann nicht rechtzeitig eingereicht, wird der Prioritätsanspruch für die jeweilige Anmeldung verwirkt (§ 35 Absatz 4 Satz 3 MarkenG).